Diese Frage stellen sich viele Kunstschaffende früher oder später: Ab wann darf ich mich eigentlich wirklich KünstlerIn nennen? Bin ich schon richtig dabei – oder ist das, was ich mache, einfach nur ein Hobby? Braucht es ein Studium, Ausstellungen, Verkäufe oder die Mitgliedschaft in der KSK? Oder reicht es, wenn ich Tag für Tag ernsthaft an meiner Kunst arbeite?
Die Antwort hängt davon ab, aus welcher Perspektive man schaut:
Die innere Perspektive: Kunst als Berufung
Wenn du spürst, dass Kunst der Raum ist, in dem du dich als Mensch ausdrückst, in dem du innere Erfahrungen, Emotionen und Visionen in Werke verwandelst, ihnen eine Form gibst und sie sichtbar machst, dann darfst du dich mit gutem Recht KünstlerIn nennen.
Denn die Berufsbezeichnung „Künstler/Künstlerin“ ist nicht geschützt. Niemand braucht ein bestimmtes Studium oder Zertifikat, um sie führen zu dürfen. Entscheidend ist allein deine Haltung – dass Kunst dein Weg ist, und dass du ihn gehst, weil du nicht anders kannst.
Die formale Perspektive: Kunst als Beruf
Neben dieser inneren Dimension gibt es aber auch eine formale Ebene, die wir bei Kunst-Starter als Kunst als Beruf bezeichnen. Dazu gehören rechtliche und organisatorische Kriterien:
- Berufsbezeichnung: „Künstler/Künstlerin“ ist kein geschützter Titel. Du darfst dich so nennen, egal ob mit oder ohne Studium.
- Künstlersozialkasse (KSK): Wenn du mit deiner Kunst Geld verdienst, kannst du dich unter bestimmten Bedingungen bei der KSK versichern. Die wichtigste Hürde ist: Du musst ein Arbeitseinkommen von mindestens 3.900 € pro Jahr erzielen (Gewinn = Einnahmen minus Ausgaben). Erreichst du diese Grenze, kannst du einen Antrag stellen und bei Aufnahme Zugang zu Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung bekommen.
- Finanzamt: Wer eine künstlerische Tätigkeit aufnimmt, gilt steuerlich als FreiberuflerIn. Du solltest dich daher innerhalb eines Monats beim zuständigen Finanzamt melden. Dort erhältst du eine Steuernummer und gibst künftig deine Einnahmen und Ausgaben in der Steuererklärung an. Ausnahme: Wenn du überhaupt keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgst, kann das Finanzamt deine Tätigkeit als „Liebhaberei“ einstufen, also als eine private, steuerlich irrelevante Beschäftigung.
Gruppendruck: Der Anspruch, zu 100 % von Kunst zu leben
Einige Kunstschaffende legen extrem strenge Maßstäbe an: Nur wer vollständig von seiner Kunst lebt, gilt ihnen als „echter“ Künstler. Wir von Kunst-Starter sehen das anders. Dieser Anspruch erzeugt unnötigen Druck und kann im schlimmsten Fall die Kreativität blockieren. Wir finden: Wer ausschließlich nach Markt und Verkäuflichkeit produziert, verliert leicht den Zugang zur eigenen Kreativität und den Kontakt zu dem, was Kunst eigentlich ausmacht.
Wir plädieren daher für realistische, entlastende Modelle: Ein Brotjob neben der Kunst ist kein Versagen, sondern kann der stabile Rahmen sein, der es dir ermöglicht, frei und unabhängig zu arbeiten. Und mehr als ein großartiger Künstler haben uns genau das vorgemacht.
Fazit
Kunst ist kein gewöhnlicher Beruf, auch wenn Professionalität dazugehört. Kunst ist ein Weg. Ein Weg, der dich wachsen lässt und der auch für die Gesellschaft wertvoll ist.
Und ganz egal, ob du Einnahmen erzielst oder nicht:
Wenn du Kunst machst, bist du KünstlerIn. Punkt.